Twin Peaks, Season 3: The Return, Part 15 + 16 (US 2017)

(Warnung: Diese Kritik ist gleichzeitig ein Recap und beinhaltet somit Spoiler für die oben betitelten Folgen sowie den bisherigen ersten zwei Staffeln.)

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Dougie/Cooper: I am the FBI.

Noch viel und lange wird über Twin Peaks: The Return geschrieben werden und wie von David Lynch und Mark Frost das ganze Spektrum von intra-, inter-, extra- und metatextuellen Figuren-Schemata benutzt werden und in dieser Hinsicht die Serie wie kaum eine andere selbstreflexiv ihren Standpunkt in der der Welt des Fernsehens versteht. Auf der anderen Seite ist das Revival durch und durch Peak-Television unserer Zeit. Dieser Punkt ist kaum offensichtlicher als in Part 15 und 16. Lynch und Frost wollen uns Zuschauer nicht hängen lassen oder gar ärgern. Und so führen sie meisterhaft ihre Storylines zusammen und geben Fans der ersten zwei Staffeln Momente verdient melancholischer Gänsehaut, bleiben dabei jedoch ihrer Linie treu und sorgen für rätselhafte Überraschungen und mystische Twists, dass man am Ende eine geradzu gruselig perfekte Mischung geboten bekommt. Bin ich aus zeitlichen Gründen nicht zu einem Recap letzte Woche gekommen, wurde ich schon jetzt Zeuge davon, dass Twin Peaks: The Return bei einer erneuten Sichtung im Binge-Modus einen krassen Mehrwert haben wird trotz meiner schon jetzigen Lobhymnen Woche für Woche. Part 15 ist oberflächlich gesehen eine typische Setup-Folge, die zwar auch großartig für sich alleine funktioniert, doch die Chance, Part 16, welche eine der besten Folgen dieser Staffel markiert, nur kurze Zeit später zu sehen, lässt die Vorfreude einer Wiederholung ins Unermessliche steigen. Insofern funktioniert die Serie wie so viele andere Vertreter im Fernsehen in der Art des dichten Erzählens für das spätere Binging, doch sie bietet genauso Folge für Folge mit nur sehr wenigen Ausnahmen Einzelwerke der Meisterklasse, was eine seltene Errungenschaft darstellt.

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Jeder hat seine anderen Gründe, diese Serie zu gucken. Manche lieben die düsteren und ominösen Bilder, manche erfreuen sich mehr an Lynchs Spiel mit dem Absurden, das nicht selten zum Lachen bringt. Doch es ist das Herz und der Sinn für tief gefühlte Menschlichkeit, das alles vereint. Natürlich ist Lynchs Gesamtwerk und auch Twin Peaks: The Return (mehr noch als die Originalserie) eine Zurschaustellung der dunkelsten Impulse des Menschen, doch würde das in keinster Weise funktionieren, liebe er nicht seine Charaktere und kann diese Liebe auf uns übertragen. Der aufkommende Schmerz wird dann auch von uns gefühlt. Part 15 zeigt zwei der emotionalsten Beispiele für das erlebte Mitgefühl bei geliebten Figuren, ohne dabei solche dunklen Impulse zu benutzen. Wenn Ed und Norma endlich ihr gemeinsames Glück haben dürfen (auch explizit unter Nadines Segen), dann produziert das Tränen der unfassbaren Freude über das Gute, das in unserer Welt in Form dieser beiden Charaktere noch herrscht. Auf der anderen Seite mussten wir in einer zutiefst traurigen, aber dennoch anmutigen Szene Abschied nehmen von Margaret aka The Log Lady, deren Schauspielerin Catherine E. Coulson kurze Zeit nach dem Dreh auch starb. Lynch liebt seine Figuren sowie seine Schauspieler, und so erlebt man diesen Abschied gleichzeitig als Tribut gegenüber Margaret als auch Coulson. Schon in Part 14 gelang ihm das majestätisch mit David Bowie.

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Der Rest von Part 15 bringt alle Figuren in die Startlöcher für das Finale. Richard trifft den bösen Cooper, Dougie fasst in die Steckdose (während er Sunset Boulevard schaut!), Hutch und Chantal töten Duncan Todd Las Vegas, der grüne Handschuh darf ein wenig Action sehen und das Gefängnis in Twin Peaks wird dadurch nur voller. Außerdem bekommen wir in der oft von außen gezeigten, alten Tankstelle die neue Form von Philip Jeffries zu sehen, der nun eine Maschine ist und an den bösen Cooper weitere Koordinaten verteilt. Die Folge ist eine klassische Setup-Folge mit kleinen Extras, doch es ist auch klassisches Twin Peaks, was es zu einer besonders gelungenen Folge macht. Gerne vergessen Macher bei solchen Episoden den eigentlichen Reiz der Serie, nicht aber Lynch. Part 15 strotzt neben der Vorwärtsdynamik nur so von Verrücktheit, Unheimlichkeit, Düsternis und tiefen Emotionen.

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Part 16 geht dann so richtig in die Vollen. Gleich zu Anfang entledigt sich der böse Cooper in einem überraschenden Twist von seinem Sohn Richard mit einem Blitz an den neuen Koordinaten, während seine Untergebenen Hutch und Chantal bei einem geplanten Anschlag auf Dougie an einen polnischen Buchhalter geraten, was in einer zum Schreien komischen Actionszene endet, die uns einen belustigten Abschied von den von Tim Roth und Jennifer Jason Leigh gespielten Charakteren bietet. Die uns vorgestellte Diane entpuppt sich dazu noch als vom bösen Cooper hergestellte Tulpa und Audrey befindet sich nach einem Tanz von einer Sekunde zur anderen aufgeschreckt in einem weißen Raum vor einem Spiegel. Ist sie auch ein Doppelgänger? Lynchs Charaktere auf sein Gesamtwerk bezogen erfahren häufig Selbsteinbildungen als eine Art Trauma-Bewältigung (besonders auffällig in Mulholland Drive und Inland Empire). Dabei kreieren sie bizarre Zeitschlaufen, die uns, den Zuschauer, mehr und mehr von der Realität entfernen. So auch in Twin Peaks: The Return. Zwar haben wir es in der Serie mit einem geradezu buchstäblichen Kampf zwischen Himmel und Hölle zu tun, doch die distinktive Trennung von Black Lodge, White Lodge und unsere Welt verschwimmt im Revival zusehends. Nicht alles ist klar gekennzeichnet von Atomexplosionen und leckerem Kirschkuchen. SO schafft Lynch ein Zusammenfluss aus Anfängen und Enden, die, und dafür muss man Part 16 einfach nur lieben, ein deutliches Zeichen für das Doppelfolgen-Finale nächste Woche geben. ‚Ende‘ und ‚Anfang‘ sind keine Wörter, die in den Welten von David Lynch existieren, das wird sich im Staffelfinale nicht ändern. Aber als wirkliche Twin-Peaks-Fans sollten wir das auch gar nicht anders wollen.

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Doch natürlich ist das große Event in Part 16 das Aufwachen des echten Coopers. Es folgt eine Gänsehautszene auf die nächste, die Freude über das Wiedersehen hätte nicht größer angedeutet werden können. Dabei bedient sich Lynch eines überraschenden Kniffs, der aber mehr als Sinn macht. Cooper erinnert sich an alles, was er in der Haut von Dougie Jones erlebt hat und weiß seine Umgebung deswegen in seiner absolut gütigen Art aufs Äußerste zu schätzen. Kyle MacLachlan spielt sich hierbei wiedermal zum klaren MVP hoch, kann er mit allen Figuren auf eine komplett andere Art kommunizieren, welche gleichzeitig nochmal eine Chance bekommen zu glänzen. Das trifft besonders auf die Mitchum-Brüder zu, die sowieso schon zu den heimlichen Stars in Twin Peaks: The Return gehören. Emotional wird es, besonders unterstreicht von dem erneut genialen Soundtrack von Angelo Badalamenti, wenn Cooper seiner neuen Familie auf Wiedersehen sagt. MacLachlan befördert einen Schmerz der absoluten Zuneigung in seine Mimik, die diese Szene stärker macht als das erste Wiedersehen mit dem alten Coop. Wenn er Janey-E und Sonny Jim sagt, dass sie alle bald wieder zusammen sind, zeugt das von genau der unschuldigen Glaubwürdigkeit, warum wir ihn seit der ersten Folge der Originalserie so sehr lieben.

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Es geht ein narrativer Ruck durch Twin Peaks: The Return. Doch Lynch zelebriert dabei weiterhin seine Form dieser Serie und bleibt sich treu. So findet er in sowohl in Part 15 als auch in Part 16 seine Zeit für seine Hervorhebung der menschliche Abgründe wie auch die Kraft, diese zu besiegen. Vereinfacht lässt es sich mit den Musik-Acts der beiden Folgen zusammenfassen, die unterschiedlicher nicht sein können. Sorgen The Veils bei ihrem Aftritt in der Bang Bang Bar in Part 15 für aggressives Unbehagen, während Charlene Yi auf dem Boden schreit nach der ihr widerfahrenen Ungerechtigkeit, darf Eddie Vedder in Part 16 (angekündigt mit seinem bürgerlichen Namen Edward Louis Severson III) ungestört seine gefühlvolle Ballade zu Ende spielen. Das ist jedoch nicht der Schlusspunkt, welcher Audrey zuteil kommt mit einer nostalgischen Reminiszenz zu ihrem “Isn’t this music too dreamy?”-Tanz aus der Originalserie, welcher von einem Betrunkenen gestört und instrumental über den Abspann zu Ende geführt wird. Machen diese Auftritte in ihrer Gesamtheit eins deutlich, dann ist es, dass Twin Peaks: The Return trotz narrativer Vorwärtsbeschleunigung nicht auf die ursprünglichen Reize verzichtet und dadurch die Serie in weitere ungeahnte Höhen gezogen wird.

bewertung Part 15

96%

 

bewertung Part 16

100%

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