Twin Peaks, Season 3: The Return, Part 14 (US 2017)

(Warnung: Diese Kritik ist gleichzeitig ein Recap und beinhaltet somit Spoiler für die oben betitelte Folge sowie den bisherigen ersten zwei Staffeln und Fire Walk With Me.)

©Showtime

Monica Bellucci: We are like the dreamer who dreams and then lives inside the dream. But, who is the dreamer?

Träume sind einer der wichtigsten wiederkehrenden Teile in David Lynchs Gesamtwerk, besonders aber in Twin Peaks. Coopers Traum in Folge 3 der Originalserie ist die Basis der Handlung unser geliebter Protagonisten. Somit sind diese Träume auch wichtig für uns als Zuschauer, man kann sich kaum vorstellen, wie es sei, wenn diese sich als Humbug herausstellen würden. Gordon hat nun einen Traum in Part 14 von Twin Peaks: The Return. Es ist ein Traum von Paris, von Monica Bellucci (— die sich natürlich selber darin spielt —) und von seiner Vergangenheit. Es ist durchaus möglich, dass es auch einfach ein Traum von Lynch selber war, den er in sein Revival einarbeitete. Eines ist aber sicher: es ist ein Traum von einer Episode. Und während er wieder eine Folge ohne Kyle MacLachlan durchzieht (womit er in Part 12 leider enttäuschte), hat er genügend zu bieten, um das mehr als auszugleichen und schafft mit Part 14 ein weiteres Highlight voll von grandios inszenierter Spannung in einem sich zu Teilen langsam zusammenfügenden Mysterium.

©Showtime

Es wurde bisher viel über David Lynch geschrieben, auch von mir. Dabei ging es meistens um David Lynch als Regisseur oder als Autor. Auch sind Worte über seine Vielseitigkeit gefallen, was andere Bereiche betrifft wie unter anderem Cutter, Komponist, Kameramann und das nicht nur sein Erstling Eraserhead betreffend. Für Twin Peaks: The Return arbeitete er sogar bei einem Großteil der Folgen an den visuellen Effekten mit. Man spricht ihm nach, die Grenzen von uns Zuschauern auszureizen, doch unterzieht er sich diesen genauso. Für sein wohl sperrigstes Werk, Inland Empire, hat er die Kameraarbeit komplett alleine übernommen. So paradox es auch klingen mag, aber Lynch ist einer der transparentesten Filmemacher überhaupt. Das wird auch in seinem Serien-Revival von Twin Peaks deutlicher als je zuvor, lässt er seinen kreativen Prozess durch die von ihm gespielte Figur Gordon Cole durchscheinen. In Part 10 kritzelte Gordon ein Rentier-ähnliches Tier mit besonders großen Geweihstangen sowie einen verlängerten Arm, dess Hand geradezu ins Bild greift. Neben der Zeichnung befindet sich ein roter Apparat, der dem schwarzen Gerät ähnelt, welches der böse Cooper aus dem Gefängnis aus anrief. Diese Szene funktioniert nur im Metakontext. Die Grenze zwischen Gordon und Lynch verschwimmen, wie die Leute um Gordon herum müssen wir Vertrauen in Lynch haben, auch wenn er nicht selber zufriedenstellend alles erklären wird. Kino (bzw. Fernsehen) kann wie Träumen sein, ein intensives Erlebnis, das uns Erfahrungen nahe bringt und im besten Fall empathisch mitgelebt wird. Insofern geht Lynch mit Gordon noch einen Schritt weiter bei dessen Traum in Part 14, wenn sogar der kreative Entstehungsprozess erlebt werden kann. Er begegnet einer in unserer Welt existierenden Figur (die Schauspielerin Monica Bellucci, die in ihrer Art bestens in einen Lynch-Film passen würde) und das natürlich in Paris, die Hauptstadt des Landes, dass ihn als Regisseur wahrscheinlich am meisten liebt. Dazu fällt das anfangs in meiner Kritik wiedergegebene Zitat, das sehr grob aus den Upanishaden entnommen* und von Lynch als einleitende Worte bei einem Screening von Inland Empire benutzt wurde. Ein koheräntes Bild fügt sich erst mit dem Bezug auf die Welt außerhalb der Serie zusammen.

©Showtime

Doch Lynch ist kein reiner Meta-Regisseur, tiefe Emotionen mit und gegenüber Charakteren sind ihm sehr wichtig, besonders wenn sie aus der Narrative entstehen. Deshalb legte er in Twin Peaks: The Return Wert darauf, nicht in grundloser Nostalgie zu verfallen. So jetzt auch mit David Bowie. Der Name seiner Figur, Phillip Jeffries, ist häufig im Revival gefallen, wobei jedoch klar war, dass der Ausnahme-Musiker wohl keine Szenen mehr vor seinem Tod letztes Jahr drehen konnte. Nun hat er seinen Auftritt in Part 14 und zwar im zweiten Teil von Gordons Traum. In stechendem Schwarzweiß, welches die Gänsehaut nur steigert, wird Bowies Szene als Jeffries aus Fire Walk with Me wiederholt. Doch fernab von reinem Fanservice brennt sich die Sequenz nun noch mehr in Gordons und unseren Köpfen ein, weil wir sie mit der Handlung von Twin Peaks: The Return endlich verstehen. Mit Jeffries Fingerzeig auf Cooper und den aufgebrachten Worten Who do you think that is there? schließt sich sowohl für die Geschichte als auch für uns ein kleiner Kreis nach ganzen 25 Jahren. Damit verleiht Lynch Bowie in der Wiederholung des Kurzauftritts eine Ehrung, die über einen gewöhnlichen Tribut an die verstorbene Ikone hinausgeht. Die Wichtigkeit seiner damals verwirrenden Rolle, die erst jetzt einleuchtende und prägnanten Darstellung sowie Lynchs Verzicht auf einen Recast geben dem Vermächtnis von Bowie eine Bedeutung, die sich über ein Vierteljahrhundert erstreckt. Dort wie unserer Welt faszinierte und verwirrte uns David Bowie, beeindruckte uns mit seiner nur ansatzweise erklärbaren Darstellung in Musik und Film und lässt uns nach seinem Tod zurück in dem Wissen, dass er in seinem Genie unersetzbar bleiben wird.

Phillip Jeffries (in Fire Walk with Me): We live INSIDE a dream.

©Showtime

Auch wenn die Traumsequenz das Herzstück der Folge ist, nimmt sie eigentlich nur die erste Viertelstunde der Folge ein. Der Rest ist vollgepackt mit überraschenden Verbindungen, spannenden Entdeckungen und visuelle Schmankerl, dass man im Gegensatz zu Part 12 in keiner Minute den fehlenden Kyle MacLachlan (abseits des Archivmaterials von Fire Walk with Me) vermisst. Das geniale dabei ist, wie Mark Frost und David Lynch diese Entwicklungen eng an die bisherigen Erfahrungen knüpft. Über die träumerische Schiene fühlt sich aufgrund der Filmografie Lynchs die späte Enthüllung, dass Diane die Halb-Schwester von Janey-E ist, besonders stimmig in dieser Episode an, sind die jeweiligen Schauspieler nicht umsonst die Träumer in ihren letzten Hauptrollen unter dem Altmeister, sei es Naomi Watts in Mullholland Drive oder Laura Dern in Inland Empire. Durch diese Vernetzung der beiden Charaktere in ihrer so unterschiedlichen Art spiegelt sich die Doppelgänger-Seiten von Cooper wieder. Lynch arbeitet oft mit Gegensätzen und insofern macht auch die albtraumhafte Sequenz mit Sarah Palmer Sinn. Auf der Suche nach einem ungestörten Drink in einer Bar wird sie von einem widerwärtigen Mann angesprochen, doch Sarah ist nicht ihre Tochter. Wortwörtlich lässt sie das Drecksschwein hinter die Fassade ihres Gesichtes blicken, wo sich das Böse hinter versteckt. Die Familie Palmer ist verflucht, aber sollte sich das junge Mädchen aus Part 8 als Sarah herausstellen (beziehungsweise sollten wir davon ausgehen, eine Antwort kriegen wir wahrscheinlich nicht), dann macht diese überraschende Wendung mehr Sinn als gedacht, wenn auch der Determinismus um Laura Palmers Schicksal dadurch noch trauriger wird. Die Szene endet in einem brutalen Tod und markiert eine der verrücktesten in der ganzen Serie. Der Horror wird von dem Dämon in ihr nur noch intensiviert mit den zweideutigen Worten gegenüber dem potentiellen Vergewaltiger: Do you really want to fuck with this?

©Showtime

Aber auch bei den anderen Figuren in Twin Peaks und Umgebung spitzen sich die Erkenntnisse zu. James, der anscheinend einen normalen Job als Security im Great Northern hat, erfährt von seinem britischen Arbeitskollegen Freddie dessen Lebensgeschichte, die einen grünen Handschuh (natürlich an der rechten Hand) und einer Begegnung mit The Giant beinhaltet. Letzterer schickte Freddie über Hinweise in die Kleinstadt um dort mit seiner rechten Hand zu wirken. Übrigens hat er jetzt einen Namen (Cooper nannte ihn immer The Giant): The Fireman. Und es gibt viele böse Brände zu löschen, man bedenke nur Sarah Palmer.
Er ist nicht der einzige, der The Giant/Fireman trifft. Truman, Hawk, Bobby und Andy machen sich auf die vorher angedeutete Expedition zu Major Briggs’ Übergang zur White Lodge. Mit fantastischer Kameraarbeit werden die Wälder um Twin Peaks eingefangen, während die vier da hindurch pilgern. Untermalt mit einem grandiosen Soundtrack baut sich mit jedem Schritt eine atemraubende Spannung auf, wobei eigentlich nur die Natur zu sehen ist. Am Ende jedoch werden sie fündig. Ohne die Spannung abzubrechen, passieren viele Dinge auf einmal. Sie finden die augenlose Asiatin aus Coopers Zwischenwelt in Part 3 nackt auf dem Boden während sich über ihnen ein weiterer Vortex (neben dem in Part 11 und dem in der Erzählung von Freddie) öffnet und Andy darin verschwindet. Es ist mehr als passend. Andy Brennan wird seit seinem ersten Auftreten in Folge 1 der Originalserie von seinem Umfeld und uns belächelt, aber er ist die Gutherzigkeit in Person, perfekt gespielt von Harry Goaz. Dieser Vortex führt nicht in The Black Lodge (wie der in Part 11), sondern zum Giant/Fireman in The White Lodge, wo er mit der Geschichte aus Part 8 konfrontiert wird. Zurück im Wald scheint Andy Klarheit zu haben, während die anderen drei um ihn rum sich nicht erinnern können, was passierte. Der wieder auf die titelgebende Stadt zurückgelegte Fokus ist wichtig und verbreitet eine größere Spannung als jeder andere gezeigte Ort.

Sarah Palmer: Yeah, sure is a mystery, huh?

Lynch und Frost verbinden in Part 14 von Twin Peaks: The Return klug die mysteriösen Elemente für einen Überblick und vermeiden trotzdem unnötig erklärende Exposition. Dabei geizen sie nicht mit neuen Entdeckungen und Erkenntnissen, alles in einer spannenden Inszenierung verpackt. Dazu bietet Lynch einen ungewöhnlichen Einblick in seine Arbeit per Traumsequenz und gibt David Bowie einen würdevollen Abschied. Mit unglaublicher Versiertheit schafft Lynch erneut eine perfekte Episode in seinem Revival, die so traumhaft gut funktioniert, dass mir wirklich erst hinterher aufgefallen ist, dass Kyle MacLachlan hier wieder fehlte.

bewertung

100%

 

*Hier das übersetzte Original und die von Lynch veränderten Formen davon:

Upanishaden: As the spider creates the cobweb out of its saliva, it lives and plays in it and at the end the same spider swallows up the cobweb, similarly the God, the Lord creates the whole universe as the act of His thought. He manifests in it and again He withdraws the whole universe in Himself.

David Lynch (bei einem Screening von Inland Empire): We are like the spider. We weave our life and then move along in it. We are like the dreamer who dreams and then lives in the dream. This is true for the entire universe.

Monica Bellucci (in Twin Peaks: The Return): We are like the dreamer who dreams and then lives inside the dream. But, who is the dreamer?

Hinterlasse einen Kommentar