Twin Peaks, Season 3: The Return, Part 12 (US 2017)

(Warnung: Diese Kritik ist gleichzeitig ein Recap und beinhaltet somit Spoiler für die oben betitelte Folge sowie den bisherigen ersten zwei Staffeln und Fire Walk With Me.)

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Diane: Let’s Rock!

Es sind immer diese kleinen Gesten, die Lynchs Mysterium so interessant machen. Dieser Satz aus Dianes Mund klingt erstmal komplett deplatziert, doch das Echo dieser Worte, sei es von The Man From Another Place in Coopers Traum von The Black Lodge in der ersten Staffel oder geschrieben auf Chester Desmonds Auto nach seinem Verschwinden in Fire Walk With Me. Und Part 12 von Twin Peaks: The Return hat neben einer erstmalig runden Erklärung, was genau Blue Rose ist und was das FBI in Form von Cooper, Desmond, Jeffries, Albert und Gordon dabei macht, sowie zwei alte Bekannte, die wieder deutlich in Erscheinung treten, weitere dieser kleinen Gesten zu bieten. Jedoch verschleiert dies nur bedingt, dass die zwölfte Folge konfus auf der Stelle umher wankt, ohne wirklich interessante Entwicklungen hervorzubringen. Die Schauspieler geben in gewohnter Lynch-Manier seltsam eindringliche Leistungen ab, doch das Material lässt dabei zu wünschen übrig und der bis auf eine Mini-Szene komplett abstinente Kyle MacLachlan und seine einnehmende Qualität wird extrem spürbar. So markiert Part 12 die mit Abstand schwächsten Folge des Revivals: eigentlich noch gut aber irgendwie ganz schön enttäuschend.

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So gut manche Szene auch gespielt sind, ist es schwierig deren Mehrwert in Form eines übergeordneten Themas zu finden. das ist zum Einen zwar die Güte beziehungsweise Nächstenliebe, die sich in Carls Gespräch mit einem Mieter oder der Unterhaltung zwischen Sheriff Truman und Ben Horne herauskristallisiert. Doch diese wird in den entsprechend gegengestellten Szenen nicht gut gekontert, da jene Szenen zu belanglos wirken, besonders das vom bösen Cooper beauftragte Attentat auf den Gefängnisaufseher oder Audrey Hornes langerwarteter Auftritt. Es ist eine Sache und für Lynch nur typisch, uns informationstechnisch bei einem ersehnten Auftritt im Dunkeln zu lassen. Dass wir nicht sofort über Audreys Koma und ihre Haltung zu Richard erfahren, ist verständlich. Trotzdem hätte das Gespräch mit ihrem Ehemann (großartig wie schon dieses Jahr in The Path: Clark Middleton) spannender vom Inhalt her ausfallen können, hatte es abseits des Namen „Billy“ (Part 7) keinen interessanten Bezugspunkt.
Deutlich besser fällt der Auftritt von Grace Zabriskie als Sarah Palmer aus, die im Einkaufsladen auf eine unangenehme Art durchdreht und später deswegen ein Besuch von Hawk bekommt. Die Anspielung auf das von Sarah mitgehörte Truthan-Kommentar von Laura in Fire Walk With Me oder die mysteriösen Töne aus ihrer Küche lassen die gewohnte Atmosphäre von Twin Peaks: The Return verspüren.

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Doch das Herzstück, seien es nur sechs Minuten, ist die Szene in Gordons Hotelzimmer mit seiner französischen Bekanntschaft (überraschend prominent besetzt: Bérénice Marlohe) und Albert. Egal ob die Szene wie absolutes Trolling oder einer Grenzerfahrung der Selbstironie wirkt (— ich bin mir selber noch nicht sicher —), in einer gewissen Art betörend und fesselnd ist sie allemal. So darf David Lynch von den Franzosen geliebt werden in Form von Gordon in den Augen seiner neuen Bekannten. Eine minutenlange Verabschiedung nach Alberts Störung zeigt einerseits Lynchs ausgeprägte Konsequenz, andererseits nimmt er zu sehr in Kauf, ein Bild von sich zu schaffen, dass er den Zuschauer nicht ernst genug nimmt. Das Thema zwischenmenschlichen Existenzialismus eine komplette Folge damit auszufüllen, dass Figuren darauf warten, dass andere Charaktere wiederum was tun, ist zwar interessant, aber nicht sehr ergiebig in einer solchen Länge. Zumindest balanciert Albert die Szene mit Gordon, indem sein WTF-Gesicht die wahrscheinlichste Reaktion eines jeden Zuschauer schreit. Seine Augen hätten Uhren mit lauten Zeigern sein können.

Nach den ersten elf großartig bis meisterhaften Stunden von Twin Peaks: The Return muss man sich auf ein baldiges Ende gefasst machen. Doch bevor es in das Enddrittel mit dessen (zumindest minimalen) narrativen Verpflichtungen geht, hätte Lynch Part 12 mit schelmischer Kreativität füllen können. Das gelingt ihm jedoch nur bedingt. Zwar hat auch diese Folge kleine Informationshäppchen, tolle Leistungen der Schauspieler und dazu eine geradezu kontrovers selbstironische Szene des Meisterregisseurs mit seiner eigens gespielten Rolle zu bieten, doch an die Qualität der bisherigen Serie kommt die Folge leider nicht ran und verrennt sich nicht selten in Belanglosigkeiten.

bewertung

69%

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