Twin Peaks, Season 3: The Return, Part 11 (US 2017)

(Warnung: Diese Kritik ist gleichzeitig ein Recap und beinhaltet somit Spoiler für die oben betitelte Folge sowie die bisherige Serie.)

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Margaret: There’s fire where you’re going.

Es ist unübersehbar, dass die titelgebende Stadt in Twin Peaks: The Return nur eine Nebenrolle spielt. Das gilt auch für das Böse, das dort am Werk ist. Während es in Buckhorn und Las Vegas offen seine Fratze entblößt, zeigte es sich im beschaulichen Twin Peaks abseits von Richards Hit-and-Run eher hinter verschlossenen Türen. Damit ist nun Schluss, nicht nur symbolisch entstehen Löcher in der Tür. Währenddessen wird in Buckhorn das Tor zu Major Briggs’ alternativen Dimension gefunden mit all dem Bösen, das dort lauert, und gerade im dominierend verruchten Las Vegas präsentiert sich die simple Lösung von bösem Blut in Form von Träumen und Kirschkuchen. In Part 11 entfaltet David Lynch einen konzentriert zusammenhängenden Dreiteiler, der in seiner erzählerischen, symbolischen und inszenatorischen Brillanz zu den besten Folgen der Serie gezählt werden muss.

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Das Herzstück der elften Folge sind natürlich die Geschehnisse in Twin Peaks. Nach Beckys „Amoklauf“ erfahren wir lässig nebenbei, dass Shelly und Bobby ihre Eltern sind, und Shelley hat was mit Richards Boss, dem Drogendealer und Münzenmagier Red, während Bobby anscheinend noch was für sie empfindet. Das sind aber nur Teile eines großen Chaos. Der Aufbau dieser längeren Aneinanderreihung von Szenen ist eine inzsenatorische wie dramaturgische Meisterleistung von relativer Ordnung ins Abstrakte. Gibt es bei Beckys Wutausbruch noch einen klaren Fokus, zu dem sich andere Charaktere wie Shelley, Carl und Bobby kontinuierlich hinzufügen, verschiebt sich alles mit den Schüssen auf das Diner. In gesetzter Ruhe entwirft Lynch einen konfusen Tumult, der mit jeder Entwicklung verwirrender wird, sie es mit Reds Kurzauftritt, die Identität des Schützen, der ein kleiner, aber bewusst handelnder Junge ist, die dauerhupende Frau, die lauthals von Verspätung schreit oder das in bester The-Exorcist-Manier besessene Mädchen auf dem Beifahrersitz. Bobby fehlen die Worte, seine Mimik zeigt jedoch genug im Anblick des Horrors, der sich ausbreitet. Diese emotionale Achterbahn zeugt in vollem Umfang von Lynch Genialität der Zugangspluralität. Egal, welches Gefühl beim einzelnen Zuschauer überwiegt, in ihrer vollen Breite findet die Szene Resonanz, indem sie unterhält, bewegt und verängstigt, oft auch alles gleichzeitig.

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Das entsetzte Erfahren des Bösen in Twin Peaks wird in Buckhorn vom Versuch des Verstehens unterbrochen. Von Hastings geführt an den Ort, wo man in die düstere Welt eintreten kann, die uns Twin Peaks: the Return schon in Folge 8 andeutete, wird die Storyline um Gordon und co. eine Inszenierung der Perspektive. Wir sehen den Vortex und seinen Inhalt aus Gordons Augen, wieder eine distanziertere Grenzerfahrung aus Alberts. Hastings beobachtet die geisterhaften Erscheinungen mit Angst, Diane sieht diese zwar aus, vertraut aber nicht ihren Augen wie die anderen. Und Dave wiederum sieht gar nichts, bis der Schock ihn überkommt, als Hastings’ halber Kopf fehlt. Was jedoch auch hier eine Konstante bleibt, ist der eindringliche, transzendentalen Soundtrack von Angelo Badalamenti, der sich in Part 11 wieder stark in den Vordergrund spielt, sowie der Humor, bedenkt man Gordons trockene Erkenntnis, dass William Hastings tot ist. Überall öffnet sich die Hölle in den absurdesten Formen, es gibt also keinen Grund, eine aufgesetzte Ernsthaftigkeit einzufügen, sei es innerhalb (Charaktere) oder außerhalb (Inszenierung der jeweiligen Schauspieler).

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Die Entladung des Bösen hätte auch Dougie in Las Vegas treffen können, doch ein beiläufig gekaufter Kirschkuchen und ein Traum von diesem verhindern nicht nur eine desaströse Entwicklung zwischen Dougie und den fehlgeleiteten Mitchum-Brüdern, sie führen zu einem bittersüßen Ende für den Zuschauer. Wollten Rodney und Bradley Dougie definitiv erschießen, überzeugt Bradley seinen Bruder von seinem Traum mit einer verheilten Wunde und dem besagten Kirschkuchen. So haben die Mitchums am Ende ihr Geld zurück und einen schönen Abend mit Dougie, wir als Zuschauer werden mit dem Kuchen und der „verdammt guten“ Reaktion in unserer Nostalgie getriggert, die zu unserem Entsetzen keine besondere Wirkung bei Dougie und dem in ihm versteckten Agent Cooper erzeugt. Oder doch? Bei jeder deutungswürdigeren Sprachwiederholung von Dougie ändert sich was in der Mimik von dem weiterhin einfach nur großartigen Kyle MacLachlan. Diese Nuance fällt auch schon bei seinem Echo des Wortes dead auf, wenn sein Chef Mullins sagt: Knock ‘em dead, champ! Auf der gegenüberliegenden Seite ist eins aber zumindest sicher: Wie schon letzte Folge stehlen Jim Belushi und Robert Knepper als die Mitchum-Brüder allen die Show in einer Serie voller Performances, die man in solch Formen nirgendwo anders sehen kann. Niemand traut sich so extrem wie Lynch, den Kunstgriff zu riskieren, seine Charaktere so urkomisch an der Grenze der Schauspielparodie agieren, jedoch aber nicht zu einem Witz verkommen zu lassen. Die Erkenntnis der Mitchums, dass sie einen Check über 30 Mio $ von Dougie bekommen haben, ist ein Paradebeispiel dafür, und lässt die Szene dadurch umso mehr glänzen.

Part 11 von Twin Peaks: The Return mag am Ende geradezu einfältig wirken, wenn man alle Probleme mit ein (oder zwei) Stück Kirschkuchen lösen kann und im Karton nicht gleich ein abgetrennter Kopf steckt. Doch diese Einfältigkeit wäre dann genauso Oberfläche wie die generierte Angst vor dem Bösen, das überall Einzug erhält. Die Serie spielt in selbstreflexiver Art mit dem Gedanken, dass es knifflig sein kann, Ernsthaftigkeit und Parodie auseinanderzuhalten. Möglicherweise sollten wir keinerlei Grenzen solcher Art ziehen. Es geht um den Kampf gegen die böswillige Allgegenwärtigkeit mit Spiritualität und Träumen. Endet das in Sekt und Kuchen, dann sollte es auch so genossen werden, egal wie abstrus das alles ist. Erst recht, wen die Qualität des Gesehenen uns sagen lässt: Damn good.

bewertung

100%

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